Donnerstag, 6. Januar 2011

Rick 1 - Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt!

Ich wollte an dieser Stelle Rick vorstellen, aber dann musste ich die Katze füttern, und bis ich wieder da war, hatte Rick schon übernommen.

Hi, ich heiße Rick, bin elfeinhalb Jahre alt und Eishockeystürmer bei den Young Indians. Ich wohne mit meinem Pa und seinem Kumpel Wutz in einer hundertprozentigen Männer-WG, selbst unsere Katze Gismo ist ein Kerl!

Ähm. Hallo Rick … darf ich mal …

Mein Leben war echt genial, bis sich mein Pa ausgerechnet in meine Lehrerin verknallt hat und auch noch meinte, dass ihr Strebersohn und ich Freunde werden könnten. Jetzt mal im Ernst: Hat der sie noch alle?

Aber das …

Natürlich hab ich mir sofort den perfekten Plan einfallen lassen, damit die zwei sich schnell wieder aus unserem Leben verziehen. Doch damit ging der ganze Ärger erst richtig los …

Ich will ja keinen zusätzlichen Ärger machen, aber dürfte ich … weißt du, ich stelle hier Bücher vor … und ich möchte … äh … wo bist du hin? Rick? Riiiiick? Ich wollte dich eigentlich fragen, wie man seine durchgeknallte Familie überlebt!

Frag doch die Antje Szillat! Die kann dir vielleicht weiterhelfen!

Mach ich doch glatt. Also, Antje:

Es gibt Bücher, von denen ich mir wünsche, ICH hätte die Idee gehabt. Dein Rick-Buch ist so eines. Und deshalb stelle ich dir jetzt die Frage, die uns Autoren zuweilen nervt, mich aber in diesem Fall brennend interessiert: Wie bist du auf Rick und seinen Männerhaushalt gekommen?
Ich habe mich schon lange nach einer Reihe „gesehnt“. Der Gedanke, über einen längeren Zeitraum mit meinen Buchfiguren zusammen sein zu können, reizte mich enorm. Meine jüngste Tochter liebt Isabel Abedis Lola heiß und innig und zunächst schwebte mir so etwas in der Art auch vor. Eben mitten aus dem Leben.
Ich lag meiner Agentin Tamara Steg damit in den Ohren, und sie meinte dann schließlich: „Dann entwickle doch mal was für Jungs!“
Dieser Vorschlag setze bei mir etwas in Gang, was ich zuvor so noch nicht erlebt habe. Es machte KAWUMS und schon feierten in meinem Kopf die Pyrotechniker ihr Jahrestreffen. Cool, richtig, richtig cool sollte es sein. Keine klassische Familiensituation. Unbedingt frech und temporeich, verrückt bis leicht durchgeknallt, aber auch an manchen Stellen mit Tiefgang ausgestattet.
Ein elfjähriger Junge – ein Großstadtkind – in einer Männer-WG. Alleine die Vorstellung sorgte dafür, dass mir die Ideen samt einzelner Szenen wie Chinaböller um die Ohren schossen.
Nachdem die Grundidee geboren war, musste ich „nur“ noch die Figuren zur Welt bringen.
Sohn, Vater, bester Kumpel des Vaters, Kater und um die Ecke wohnende Oma samt französischer Bulldogge. Perfekt, fand ich. Der „Gegenpart“ stand ebenso schnell fest: Linda, die neue Liebe von Ricks Pa und ihr Blassbackensohn Finn. Allerdings ist dann am Ende alles ganz anders gekommen, als zunächst von mir geplant …

Beim Lesen des Klappentextes habe ich gedacht: Welch köstliche Figuren! Tun die eigentlich immer, was du mit ihnen vorhast, oder entwickeln die beim Schreiben manchmal ein Eigenleben?
Eben nicht! Deshalb ist ja auch alles ganz anders gekommen. Ricks Name war zunächst Tom. Er und Finn waren „gleichberechtigt“. Deshalb hieß zu diesem Zeitpunkt die Reihe auch „Tom und Finn“. Doch dann passierte etwas, eine Kleinigkeit, wie ich dachte, denn Tom bekam einen neuen Namen. Rick. Von diesem Zeitpunkt an drängte er sich immer mehr in den Vordergrund. Keine Ahnung, ob er der Meinung war, sein neuer Name sei so cool, dass er unbedingt ein ganz anderer werden müsste, jedenfalls wurde er immer frecher. Genauso wie der ganze Erzählstil.
Finn entwickelte sich ebenfalls in eine ganz andere Richtung. Irgendwie machten die beiden mit mir was sie wollten. Frechheit, keiner hörte mehr auf mich. Rick erzählte, wie ihm der Schnabel gewachsen war und manchmal dachte ich „Nö, das geht so aber nicht.“
Meine Lektorin fand dann allerdings, dass das sehr wohl so ginge. Sie war begeistert und das machte mir Mut und gab mir das Vertrauen in Rick, dass er schon wüsste, was zu tun sei.
Die anderen waren aber wesentlich handzahmer. – Na ja, bis auf Gismo, der irgendwann beschlossen hatte, nicht nur schlafend im Katzenkörbchen zu liegen, sondern einen „bleibenden Eindruck“ beim Leser zu hinterlassen.
Als dann der Pressesprecher meines Verlages auf der Frankfurter Buchmesse zu mir sagte, dass er sich kaputt gelacht hätte beim Manuskriptlesen, beschloss ich endgültig, Rick machen zu lassen, was er für richtig hielt.

Bücher wie "Rick" kommen oft total leichtfüssig, locker und süffig daher, als ob der Autor sie einfach so aus dem Handgelenk geschüttelt hat. Nicht alles, was sich so luftig leicht liest, schreibt sich auch so einfach. Wie geht es dir beim Schreiben der Rick-Geschichten. Purzeln die einfach so aus deinen Händen in die Tasten?
Teils, teils. Rick ist ja Eishockeystürmer bei den Hannover Young Indians. Da ich aber null Plan vom Eishockey hatte, waren das die Stellen, an denen ich dachte, dass sie einfach nicht authentisch klingen würden. Also setzte ich mich auf die Tribüne am Pferdeturm und schaute mir so viele Spiele an, bis ich getrost von mir behaupten konnte, Ahnung zu haben. Das gesamte Team der Indians – Vorstand, Trainer, Spieler, und, und, und waren mir dabei sehr behilflich. Sie haben stundenlang meine Fragen beantwortet, die Spiele kommentiert, mich herumgeführt und niemals die Augen verdreht, wenn ich selten blöde Fragen gestellt habe.
Nur einmal hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen, weil ein Jugendteam meinetwegen fast ein Spiel verloren hätte. Ich durfte mich während des Spiels auf der Bank aufhalten und hatte bis dahin Eishockey, mit seiner Wucht und Schnelligkeit (und auch Härte), noch niemals so hautnah erlebt. Wenn die Kids über die Bande jumpten oder sich (meiner Meinung nach) furchtbar lang legten, stieß ich besorgte „Angstschreie“ aus. Die Kids schauten mich jedes Mal an, als ob mir ein zweiter Kopf gewachsen wäre und irgendwann waren die so abgelenkt von meinem Zusammenzucken und „Oh Gott, is was passiert? – Gerufe“, dass der Trainer meinte, es wäre wohl besser, wenn ich doch wieder auf der Tribüne Platz nehmen würde.
Was das lockere Schreiben ansonsten betrifft, so kann ich auch hier sagen: Teils, teils.
Wenn Rick das Kommando übernommen hatte, dann lief es meistens wie geschmiert. Aber an manchen Tagen wollte er nicht so richtig und dann ist es mir schon schwer gefallen. Dennoch kann ich wirklich behaupten, dass ich noch niemals so viel Spaß beim Schreiben hatte. Oftmals habe ich vor meinem PC gesessen und mich kringelig gelacht.
Für den zweiten Band, der im Sommer 2011 erscheinen wird, habe ich mit meinen Mann eine Minikreuzfahrt gemacht und für den dritten Band, mit dem ich gerade begonnen habe, erlebe ich zurzeit Sachen, die ich sonst bestimmt nicht erlebt hätte und das macht einfach nur wahnsinnig viel Spaß. Ich bin rundum glücklich mit Rick und Co. und den Möglichkeiten, die sich durch diese Buchreihe für mich gerade auftun. – Auch die Abenteuer, die er erlebt, nachdem ich sie für ihn „getestet“ habe. Genial.

Ich bin schon mal auf deiner Webseite herumgeturnt und habe die Seite mit den Fotos deiner Lesungen gefunden - ich kann mir vorstellen, wie begeistert die Kinder Ricks Geschichten zuhören werden!
Ich liebe Entertainment! Echt, ich liebe die „Bühne“. Deshalb mache ich auch unglaublich gerne Lesungen. Das ist mein Ding, genauso wie das Schreiben. Ein weiterer Grund für Rick. Ich habe mich in der Vergangenheit ja überwiegend mit „schwereren“ Themen beschäftigt. Bestimmt wichtige Themen und der Erfolg, den ich damit hatte, spricht ja auch für sich. Doch solche Themen bringen es natürlich auch mit sich, dass während der Lesung nicht all zu viel gelacht wird.
Ich wollte aber unbedingt, dass gelacht wird. Ich wollte begeisterte Kids (und auch Erwachsene), die sich kringelig lachen. Die mitgehen, sich auf die Schenkel schlagen, sich wegschmeißen vor Vergnügen, die richtig, richtig viel Spaß haben.
Ich wollte unterhalten - locker, fröhlich, verrückt, manchmal auch ein bisschen absurd und das mit ganz viel Herzblut und Lachtränen in den Augen.
Auch deshalb ist Rick entstanden.

Und hier ist er, der Rick. Sozusagen in Fleisch und Blut … und gleich darunter geht’s zur Leseprobe. Viel Spass!



Leseprobe: Rick 1 – Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt (Auszug aus Kapitel 2.)

Auf dem Nachhauseweg rannte mir Finn, die Oberstreberbacke der Tucholsky-Gesamtschule, fast in den Vorderreifen meines Fahrrads. Ich konnte gerade noch quietschend in die Bremsen gehen.
„Bist du nicht mehr ganz dicht?!“, schrie ich ihn an.
Finn ließ sich davon kein bisschen beeindrucken. Er sah nicht einmal auf. Ganz im Gegenteil: Völlig ungerührt starrte er weiter in sein bescheuertes Buch.
„Hey, ich rede mit dir!“, rief ich empört.
Er zuckte kurz mit den Schultern und nuschelte zerstreut: „Ähm, Entschuldigung. Aber gerade passt es mir nicht.“ Und schon schluffte er weiter, die Nase noch immer zwischen den Buchseiten.
Was bildete sich diese Streberblassbacke eigentlich ein? Nur weil seine Mutter Lehrerin an unserer Schule ist, hält der sich gleich für was Besseres, oder was?! Oh, wie dieser Typ mich nervte.
Wütend starrte ich ihm einen Moment hinterher. Dann schwang ich mich wieder auf mein Rad und trat ordentlich in die Pedale.

Zu Hause erwartete mich der nächste Knaller des Tages. Pa hatte mein Bett neu bezogen.
Benjamin Blümchen grinste mich dämlich an. Neben ihm stand Otto mit einem ebenso breiten Grinsen im Gesicht.
Schlagartig stellten sich mir die Nackenhaare auf. Wann kapierte mein Vater endlich, dass ich nicht mehr fünf Jahre alt war? Keine Ahnung, wie oft ich diese peinliche Babybettwäsche nun schon in die Altkleidertüte gestopft hatte. Ganz zu schweigen von meinem Bob-der-Baumeister-T-Shirt oder dem Mickey-Maus-Schlafanzug. Doch mein Vater holte immer wieder alles heraus und legte es in meinen Schrank zurück.
„Die Klamotten passen dir doch noch“, sagte er dann jedes Mal.
Na und!? Was kann ich denn dafür, dass er meine Sachen immer drei Nummern größer kauft, damit ich sie bloß schön lange tragen kann?! Verdammt, ich bin schon fast ein erwachsen. Wenigstens ein bisschen. Aber das will mein Pa einfach nicht schnallen.
Zu allem Überfluss kam Gismo nun auch noch in mein Zimmer geschlichen und verseuchte die Luft innerhalb von Sekunden mit einem seiner tödlichen Katzenfürze.
„Boah, Gismo, du Stinkbombe“, stöhnte ich und stürmte zum Fenster, um es weit aufzureißen.
Gismo maunzte beleidigt und zog ab.
Typisch, erst die Bude vollmockern und dann auch noch stinkig sein.
Fluchend zog ich die oberpeinliche Bettwäsche ab und ging damit in die Küche. Ich kramte genervt in unserer Ramschschublade herum. Dann hatte ich sie endlich gefunden: die Zackenschere, die ich von Mary zum sechsten Geburtstag bekommen hatte.
Sie war eigentlich dafür gedacht, wilde Muster in Papier zu schneiden. Aber mit Stoff würde das bestimmt auch klappen. Entschlossen setzte ich an und schnitt ein paarmal an unterschiedlichen Stellen in den Bettbezug hinein.
So, das sollte reichen. Zufrieden breitete ich den Bezug auf dem Küchenboden aus.
Benjamin Blümchen hatte nun ein geniales Zackenmuster in Pullover und Hose, Otto leider keinen vollständigen Kopf mehr und halbierte Beine. Später, wenn Pa den Bezug entdeckte, würde ich einfach behaupten, dass Gismos scharfe Katzenkrallen dafür verantwortlich seien. Das hatte er vor Kurzem ja auch mit Pas Sportshirt gemacht.
Schnell nahm ich mir noch den Kissenbezug vor und stopfte anschließend beides in den Altkleidersack, der in der Abstellkammer auf dem Boden stand. Dann durchsuchte ich unseren Wäscheschrank nach einer guten Alternative.
Schließlich entschied ich mich für Wutz’ coole schwarz-weiß gestreifte Seidenbettwäsche. Ich konnte ihn ja später immer noch um Erlaubnis fragen. Aber so wie ich Wutz kannte, hatte er sicher nichts dagegen.
Ziemlich zufrieden mit meinem Werk flitzte ich ins Badezimmer. Eigentlich musste ich schon seit der dritten Stunde dringend pinkeln. Aber die Ekelklos in der Schule gingen gar nicht. Jetzt war es WIRKLICH, WIRKLICH dringend.
Ich klappte den Klodeckel hoch und stellte mich breitbeinig hin.
Lurchpforte auf, Wasser marsch!, dachte ich, als plötzlich etwas aus der Badewanne hinter mir murmelte: „Ob Groß oder Klein, sitzen muss sein!“
Ich erschrak dermaßen, dass ich laut aufschrie und mir fast den Lurch im Reißverschluss eingeklemmt hätte.
In der Wanne lag Wutz und schaute mich missmutig an. Knisternder Badeschaum hüllte ihn bis zur Kinnspitze ein.
„Wie lautet Nummer fünf der 10-WG-Gebote?“
„Sorry, … ich … ähm … wir pinkeln nicht im Stehen“, stammelte ich und klappte hastig die Klobrille runter. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist bei der Arbeit“, versuchte ich schnell, das Thema zu wechseln.
Wutz antwortete mit einer Gegenfrage und setzte noch einen missbilligenden Zungenschnalzer obendrauf. „Du weißt schon, dass ich diese Woche Klodienst habe?“
Verdammt!

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